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Lebensmittel >> Food Testing News >> Sorgfalts-und Beweispflichten der EU Öko-Verordnung

Sorgfalts- und Beweispflichten in der neuen EU-Öko-Verordnung

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Relevanz von Risikominimierungskonzepten für Bio-Unternehmen

Dez. 2021. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Änderungen der Sorgfalts- und Beweispflichten auf bio-zertifizierte Unternehmen mit der neuen EU-Öko-Verordnung (EU) 2018/848[1] zukommen und wie sich diese erweiterten Pflichten in der Praxis umsetzen lassen.

Die Beweis- und Sorgfaltspflichten neu reguliert

Im allgemeinen Lebensmittelrecht sowie auch im Bio-Recht obliegen Lebensmittelunternehmen bestimmte Sorgfalts- und Beweispflichten, um sicherzustellen und zu dokumentieren, dass nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen wird. Mit dem Artikel 28 der Verordnung (EU) 2018/848[1] gestaltet sich die Erfüllung dieser Pflichten für alle Akteure der Bio-Wertschöpfungskette bald deutlich umfangreicher.

Ihr Vorgehen im Verdachtsfall im Überblick

  1. Identifizierung und Isolierung des Erzeugnisses.
  1. Überprüfung, ob Verdacht begründet ist.
    NEU – Fokus auf Vorsorgemaßnahme: Risiko­mini­mierungs­konzept anwenden!
  1. Kein Inverkehrbringen des Erzeugnisses, bis der Verdacht ausgeräumt werden kann.

Ein Verstoß wird in der Bio-Verordnung definiert als "Nichteinhaltung der Bestimmungen" der Verordnung oder der zugehörigen Rechts- oder Durchführungsakte. Besteht der Verdacht auf einen Verstoß, so greift Artikel 27. In diesem sind Pflichten und Maßnahmen im Verdachtsfall beschrieben.

Ähnlich wie zuvor in Artikel 91 der Verordnung (EG) 889/2008[2], muss das Erzeugnis bei einem Verdacht auf einen Verstoß zunächst identifiziert und isoliert werden, was eine Sperrung der kompletten Charge bedeuten kann. Das Inverkehrbringen des Erzeugnisses als solches oder als Umstellungserzeugnis ist nicht gestattet. In der biologischen Produktion darf es nicht verwendet werden, auch nicht als Zutat, bis der Verdacht ausgeräumt werden kann. Um dies zu tun, bedarf es laut Artikel 27 einer Überprüfung. Hier kommt Artikel 28 ins Spiel: er beschreibt, wie ein Verdacht durch definierte Vorsorgemaßnahmen entkräftet werden kann.

Artikel 28: Fokus auf Vorsorgemaßnahmen

Mit dem Artikel 28 der neuen Öko-Verordnung sollen sogenannte "Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung des Vorhandenseins nicht zugelassener Erzeugnisse und Stoffe" in den Bio-Unternehmen festgelegt werden. Das bedeutet, dass auf allen Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs ein Risikominimierungskonzept aufgestellt werden muss. Detaillierte Informationen erlangen Sie in unserem Webinar on demand: Die neue EU Öko-Verordnung entlang der Wertschöpfungskette erklärt. Die Vorsorgemaßnahmen, die das Bio-Unternehmen gemäß Artikel 28 definieren muss, beschreiben, wie in einer Verdachtssituation zu reagieren ist und welche Schritte einzuleiten sind, um das Risiko zu minimieren. Einen Verdacht auszuräumen gelingt also nur, wenn zuvor entsprechende Vorsorgemaßnahmen aufgestellt wurden. Die Umsetzung dieses Artikels wird folglich das neue Handwerkszeug eines jeden Bio-Unternehmens auf allen Stufen der Supply Chain werden.

Beispiel: Vermeidung einer Kontamination

In Artikel 28 (1) wird beschrieben, dass eine Kontamination durch Erzeugnisse oder Stoffe, die nicht gemäß Artikel 9 Absatz 3 zugelassen sind, zu vermeiden sind. Welche dies sind, ist in Artikel 24, 25 und in Anhang II aufgeführt.

Artikel 24 beschreibt die Zulassung von Erzeugnissen und Stoffen für die ökologische Produktion. Handelt es sich beispielsweise um einen Lebensmittelzusatzstoff, so muss das Unternehmen nach dem 2-Stufen-Verfahren vorgehen:

  1. Prüfung: Ist der Zusatzstoff gemäß Verordnung (EG) Nr. 1333/2008[3] zugelassen?
  2. Prüfung: Ist der Zusatzstoff im Bio-Recht zugelassen? → Anhang II prüfen

Artikel 25 beschreibt nicht-biologische Zutaten des landwirtschaftlichen Ursprungs, welche ebenfalls ein Kontaminationsrisiko darstellen können.

Um die Risiken einer solchen Kontamination durch nicht zugelassene Stoffe oder Zutaten zu identifizieren und erfolgreich zu minimieren, sollen laut Verordnung „kritische Punkte bei Verfahrensschritten“ betrachtet werden. Die zugehörigen Maßnahmen sollen verhältnismäßig und angemessen sein. Dies ist rechtlich betrachtet eine Grauzone.

Fazit: Vorsorge bedeutet systematische Risikominimierung

Letztendlich definiert die europäische Gesetzgebung keine exakte Vorschrift, wie die Umsetzung der geforderten Vorsorgemaßnahmen im Detail aussehen soll. Ein guter Weg kann die Nutzung des sogenannten OCP (organic control points)-Konzepts sein. Ähnlich wie bei der Aufstellung eines HACCP-Konzepts müssen die Risiken an kritischen Bio-Kontrollpunkten (OCCP - organic critical control points) erkannt, Maßnahmen zur Beherrschung festgelegt, regelmäßig überprüft und dokumentiert werden.  Daraus folgt: Es handelt sich somit um ein Konzept zur Risikominimierung und nicht um ein Verfahren zum vollständigen Ausschluss von nicht zugelassenen Stoffen und Erzeugnissen.

Als Hilfestellung für Ihr Risikominimierungskonzept haben wir Ihnen hier zwölf Leitfragen zur Ermittlung des spezifischen Risikos Ihrer Bio-Produkte zusammengestellt. Zudem hat die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller e.V. (AöL) einen Leitfaden[4] zur Umsetzung der Vorgaben aus der neuen EU Öko-Verordnung veröffentlicht.

Die Implementierung der Vorsorgemaßnahmen wird, ebenso wie alle anderen Vorgaben der Öko-Verordnung, durch die offiziellen Bio-Kontrollstellen überprüft und bestätigt. Vorsorgemaßnahmen und das zugehörige Konzept sind also als Teil der Bio-Zertifizierung zu betrachten.

Beratung und Analytik passend zum neuen Bio-Recht

Gerne stehen wir Ihnen bei Fragen zur neuen EU-Öko-Verordnung sowie mit einem umfassenden Portfolio an bio-relevanten Analysemethoden zur Verfügung. Unsere Expertin Anna Fecke freut sich auf Ihre Anfrage!

 

Relevante Verordnungen und Quellen

[1] Konsolidierter Text: Verordnung (EU) 2018/848 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen
[2] Konsolidierter Text: Verordnung (EG) Nr. 889/2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle
[3] Konsolidierter Text: Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 über Lebensmittelzusatzstoffe
[4] AÖL-Mitgliederinformation: Bio Kritische Kontrollpunkte erkennen und die richtigen Vorsorgemaßnahmen daraus ableiten (Version 2, 10. Nov. 2020)
Ergänzende Quelle: FIBL Leitfaden für das Qualitätsmanagement: "Wie gehe ich mit Informationen zu einem möglichen Verstoß gegen die Bio-Verordnung (VO (EU) 2018/848 gemäß Artikel 27 bzw. 28 (2) um?"