Worauf Sie bei Änderungen in der Rohwarenbeschaffung von Ölsaaten, Pflanzenölen und Lecithin achten müssen
Juni 2022. Beim kurzfristigen Ersatz von Rohwaren, wie z. B. von Sonnenblumenöl durch Raps- oder Sojaöl, sowie beim Ausweichen auf andere Herkunftsländer bei der Beschaffung von Ölsaaten, sind wichtige Punkte in der Risikobewertung zu berücksichtigen:
- Risikokontrolle: Wie sind die jeweiligen Anbau- und Zulassungssituationen in den Ländern? Findet der Bezug über den Handel oder direkt von den Herstellenden statt? (Komplexität der Lieferkette)
- Analyseparameter: Unterschiede in den spezifischen Analyseparametern der neuen Rohwaren (Rückstände & Kontaminanten, gentechnisch veränderte Organismen (GVO), Chemische Zusammensetzung & wertbestimmende Bestandteile, Authentizität)
- Kennzeichnungsprüfung, Allergene: Welche Auswirkungen ergeben sich auf die Kennzeichnung der Produkte?
- Lieferantenaudits: Überprüfung des Zertifizierungsstatus des Lieferanten, sowie Auditierung und Bewertung neuer Lieferanten
Risikokontrollplan
Unser Expertenteam unterstützt Sie bei der Erstellung Ihres Risikokontrollplans. Dabei sind sowohl die spezifischen Eigenschaften der Rohware als auch die Anbausituation und die geltenden rechtlichen Vorgaben des Herkunftslandes zu berücksichtigen. Bei einer kurzfristigen Umstellung von Rohwaren ist zusätzlich das veränderte Eintragsrisiko für Allergene und potenzielle Kreuzkontaminationen zu betrachten.
Analyseparameter
Jede Rohware zeichnet sich durch ihre definierten Qualitäts- und Analyseparameter aus. Diese werden außerdem durch die spezifische Umwelt- und Anbausituation im Herkunftsland beeinflusst. Im Folgenden finden Sie Beispiele relevanter Analyseparameter für Pflanzenöle bzw. Ölsaaten:
Rückstände & Kontaminanten in Pflanzenölen und Ölsaaten
Die Überprüfung von Rückständen und Kontaminanten nimmt durch ihre Vielzahl einen besonderen Stellenwert ein:
- Pflanzenschutzmittel-Rückstände können durch ein auf Ölsaaten angepasstes Pestizid-Multi-Screening überprüft werden. Zusätzlich sollte auch auf saure Herbizide, Glyphosat und Chlormequat/Mepiquat getestet werden.
- Lagerschutzmittel-Rückstände in Bezug auf Ölsaaten allgemein können Begasungsmittel sein wie Phosphan, Bromid und Ethylenoxid. Diese Rückstände können zum Einen aus direkter Anwendung oder als Übertrag aus behandelten Silos oder Containern auf dem Transportweg stammen. Durch Änderungen in der Behandlung von Rohstoffen kann ein erhöhtes mikrobiologisches Risiko (z. B. Salmonellen) die Folge sein und muss gesondert betrachtet werden.
- Mykotoxine sind in ihrem Vorkommen u. a. beeinflusst durch Wetter- und Lagerbedingungen, wie z. B. Alternaria-Toxine in Sonnenblumenkernen und Sesamsamen (siehe auch Monitoringempfehlung der EU Komission 2022/553 vom 05.04.2022). Risikobasiert empfiehlt sich die Untersuchung von Aflatoxinen und Ochratoxin A in Raps sowie Aflatoxinen, Ochratoxin A und Fusarientoxinen in Soja. Für Zearalenon in Maiskeimöl besteht in der Kontaminantenverordnung VO (EG) 2023/915 ein Höchstgehalt.
- Tropanalkaloide können als botanische Verunreinigung über die Ernte in Ölsaaten gelangen. Auch wenn es aktuell für Ölsaaten keine Grenzwerte gibt, empfehlen wir eine Überprüfung, z. B. in Soja und Sonnenblumenkernen.
- Umweltkontaminanten können je nach Herkunftsland und Aufnahmeverhalten der Pflanzen unterschiedlich stark auftreten. Bei den Schwermetallen sind u. a. in Bezug auf Cadmium unterschiedliche Grenzwerte für Sonnenblumenkerne (0,5 mg/kg) und Rapssamen (0,15 mg/kg) zu beachten. Cadmium-Befunde schwanken in der Regel je nach Anbaugebiet und Vorkommen im Boden.
Zudem ist es empfehlenswert, bei einem Wechsel der Anbaugebiete das Thema Dioxine und PCB in die Risikobetrachtung mit einzubeziehen, da Kontamination über den Luftpfad (Sedimentation von Erdpartikeln oder anderem Staub auf den Pflanzen) eine Rolle spielen könnte (siehe auch unseren Artikel "Überblick über EU-Höchstgehalte für PAK, Dioxine und PCB in Speiseölen und Fetten").
- Weitere Kontaminanten, deren Auftreten sich je nach Ölsaat, Ursprung und Herstellart unterscheidet:
PAK sind Prozesskontaminanten, die etwa beim Trocknen und Rösten der Ölsaaten vor der Pressung entstehen können. In der Kontaminantenverordnung VO (EG) Nr. 1881/2006 ist ein Grenzwert für zum Verzehr als Lebensmittel bestimmte Öle für das als krebserregende eingestufte Benzo(a)pyren sowie für die Summe von Benzo(a)pyren, Benz(a)anthrazen, Benz(b)fluoranthen und Chrysen festgelegt.
3-MCPD-Ester und Glycidylester sind Prozesskontaminanten, die je nach Ölsaat, Ursprung und Intensität der Verarbeitung bei der Raffination der Öle entstehen können. Höchstgehalte für MCPD- und Glycidylester sind ebenfalls in der Kontaminantenverordnung VO (EG) Nr. 1881/2006 geregelt.
Mineralölkohlenwasserstoffe können vom Anbau bis zum fertigen Produkt auf vielfältige Weise ins Produkt gelangen. Für Fette und Öle sind in Deutschland Orientierungswerte festgelegt, um Minimierungsstrategien zu unterstützen.
GVO in Bezug auf Ölsaaten
Die verschiedene Länder Nord- / Mittel und Südamerikas stellen wichtige Erzeugerländer für Soja, Raps, Sonnenblume und weitere Ölsaaten dar. In den meisten dieser Länder ist der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen weit verbreitet und das GVO-Eintragsrisiko sollte bei einem Ausweichen auf diese Länder entsprechend bewertet werden.
- Sonnenblumen: Ein kommerzieller Anbau von gentechnisch veränderter Sonnenblume findet derzeit nicht statt. Ein GVO-Eintragsrisiko kann jedoch über botanische Verunreinigungen während der Ernte, Transport und/oder Lagerung mit Raps oder Soja bestehen. Dies gilt insbesondere für Anbauländer wie Argentinien und den USA, in denen 2019 z. B. auf weit über 90 % der Sojaanbaufläche gentechnisch veränderte Soja angebaut wurde. Sofern die Ölmühlen bei der Verarbeitung zwischen verschiedenen Ölsaaten wechseln, ist auch hier ein Eintragsrisiko mit GVO gegeben, wenn zwischen der Verarbeitung von GV-Soja, GV-Raps und Sonnenblumen gewechselt wird.
- Raps: In den Erzeugerländern Kanada, USA und Australien findet ein großflächiger Anbau von GV-Raps statt. In den USA und Kanada lag der Anteil 2019 bei 100 % bzw. 95 %, in Australien bei 27 % (siehe auch "Neue Zulassung für GV-Raps 73496").
- Soja: In den alternativen Erzeugerländern in Nord-, Mittel-, und Südamerika wird GV-Soja auf über 90 % der jeweiligen Sojaanbauflächen angebaut. So lag zum Beispiel in Brasilien der GVO-Anteil an der Sojaanbaufläche 2019 bei 96 %. (siehe auch "Neue Zulassung für GV-Soja GMB151 sowie Auslauf der Zulassung für GV-Sojabohne 356043-5").
- Senf: Die Ukraine und Russland stellen wichtige Erzeugerländer für Senf dar. Knapp 52 % der deutschen Importe von Senfsaaten kamen zuletzt aus Russland, fast 28 % aus der Ukraine. In Kanada, dem weltweit größtem Erzeugerland von Senf, wird zum Beispiel gentechnischer veränderter Raps großflächig angebaut. Senfimporte aus Kanada sollten deshalb auf mögliche Kreuzkontaminationen mit GV-Raps kontrolliert werden.
- Leinsaat: Die Ukraine und Russland stellen wichtige Anbauländer für Leinsamen dar. Beim Ausweichen auf Kanada sollte engmaschig auf den GV-Leinsamen-Event FP 967 kontrolliert werden. Daneben stellen botanische Verunreinigungen mit Raps bei Leinsamen eine potentielle GVO-Eintragsquelle dar.
Authentizität von Pflanzenölen
Die Authentizität von Pflanzenölen kann durch verschiedene Verfahren und Ansätze sichergestellt werden.
- Die Bestimmung der Identität (100%ige Übereinstimmung mit der Deklaration) kann z. B. mittels Gaschromatographie und NMR-Analyse durchgeführt werden.
- Eine Vermischung mit anderen Ölen kann durch Abweichungen im Fettsäureprofil, in der Triglycerid- und Sterinverteilung auffallen.
Kennzeichnungsprüfung
Die Kennzeichnung von Lebensmitteln unterliegt speziellen lebensmittelrechtlichen Vorgaben, zu denen unser Expertenteam Sie gerne produktspezifisch berät. Bei einer kurzfristigen Änderung im Rohwareneinsatz, z. B. in Bezug auf einen geänderten botanischen Ursprungs des eingesetzten Pflanzenöls oder Lecithins, hat dies auch Auswirkung auf die Kennzeichnung.
Darüber hinaus ist auch auf eine korrekte Kennzeichnung von Allergenen (siehe auch unseren Artikel "Allergentests in Lecithin") sowie ggf. auf die Einhaltung der Kriterien für die Auslobung des „ohne Gentechnik“ Siegels zu achten.
Lieferantenaudits
Von den bisher gewohnten Vorgängen abweichende Ernte-, Verarbeitungs-, Verpackungs- und Lagerprozesse können zu bisher unbekannten, unerwünschten Einträgen führen. Dabei sollte z. B. der Einsatz anderer Behandlungsmittel, eine potentielle Migration aus der Verwendung von neuer Transport- oder Verpackungsmaterialien oder weitere Einflüsse aus der direkten Umgebung überprüft werden. Dies lässt sich am besten durch ein Audit vor Ort feststellen, in dem zusätzlich die Durchführung von Rückverfolgbarkeitstest, inklusive einer Massenbilanz, unerlässlich ist.
Ihr Fachlabor für die Untersuchung von Pflanzenölen
Das Eurofins Expertenteam verfügt über umfassende warenkundliche Kenntnisse zu Fetten und Ölen und sichern sich einen stets aktuellen Informationsstand über den Kontakt zu Herstellenden, Handel, Wissenschaft, Forschung und Fachverbänden (u.a. DGF, Euro Fed Lipid e.V., FOSFA, GROFOR). Einen Überblick über unser Serviceangebot zur Analyse von pflanzlichen Ölen und Fetten finden Sie in unserem Produktflyer "Untersuchung von pflanzlichen Ölen & Fetten".
Kontaktieren Sie uns
Gerne unterstützen wir Sie mit unseren Analysemethoden und Beratungsservices bezüglich der Rohwarenkontrolle von Pflanzenölen. Sprechen Sie Ihre:n persönliche:n Kundenbetreuer:in an oder wenden Sie sich an Ulf Rathjens, unseren Experten für GVO-Analytik oder an Fabienne Keller, unsere Expertin für die Analyse von Pflanzenölen.
Verwendete Quellen:
[1] https://www.ripleybelieves.com/world-s-top-mustard-seed-producing-countries-10558
[2] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/lebensmittel-ukraine-krieg-verschaerft-knappheit-von-senf-und-honig/28191822.html
[3] https://www.atlasbig.com/de-de/weltweit-sonnenblumen-produktion
[4] Anbauzahlen: ISAAA Brief 55: Global Status of Commercialized Biotech/GM Crops: 2019 und eigene Daten
[5] https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/gentechnische-veraenderungen-in-leinsamen/