Dioxine und PCB in Lebens- und Futtermitteln – eine gelöste Thematik?
Zehn Jahre seit dem letzten Dioxinskandal: Was sich seitdem getan hat
Feb. 2021. Sowohl Dioxine als auch PCB sind mittlerweile ubiquitär in der Umwelt verbreitet. Ca. 90 % der Gesamtexposition des Menschen mit dieser Gruppe von Umweltschadstoffen beruht auf dem Verzehr von Lebensmitteln. Weltweit bekannt wurden Dioxine durch einen Chemieunfall 1976 bei Seveso, Italien, bei dem 2,3,7,8-TCDD freigesetzt wurde, und durch den Einsatz des Entlaubungsmittels Agent Orange in Vietnam. Auch in späteren Jahren stand diese Schadstoffgruppen immer wieder im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung, insbesondere in der Verbindung mit deren Vorkommen in Lebens- und Futtermitteln.
Beispiele für diese sogenannten "Dioxinskandale" auch mit länderübergreifender Relevanz sind[1]:
- Zitruspulpe, Brasilien (1998): Verwendung von stark belastetem Kalk zur Herstellung von Zitruspulppellets (Futtermittel)
- Belgische Dioxin-Krise (1999): Beimengung von mit Pentachlorphenol und PCB verunreinigten Fetten und Ölen zu Futterfetten
- Kaolinit (2004): Verwendung von Kartoffelschalen aus der Lebensmittelproduktion als Futtermittel, bei denen das Tonmineral Kaolinit zur Trennung von stärkereichen und stärkearmen Kartoffeln verwendet wurde
- Guarkernmehl, Indien (2007): Verwendung von mit Dioxinen verunreinigtem Pentachlorphenol bei der Herstellung von Guarkernmehl
- Büffelmilch-Mozzarella, Italien (2007/2008)
- Schweinefleisch, Irland (2008): Verwendung von im Trocknungsprozess kontaminierten Futtermittel (Herstellung des Trocknungsgases aus PCB-belastetem Heizöl)
Zuletzt kamen Dioxine und PCB Anfang 2011 in Deutschland in die Schlagzeilen. Mit PCB belastete technische Fette gelangten in die Futtermittelkette und verursachten die Sperrung von Schweinemastbetrieben und Hühnerfarmen, die Notschlachtung von Legehennen und Entsorgung als Sondermüll von Hühnereiern.
Dioxine und Polychlorierte Biphenyle (PCB)
Der Begriff „Dioxine“ beschreibt eine spezifische Schadstoffgruppe von chlorierten und aromatischen Kohlenwasserstoffen, die als polychlorierte Dibenzodioxine und –furane oder kurz PCDD/F bezeichnet werden. Dioxine wurden nie bewusst vom Menschen hergestellt, sondern können als unerwünschte Nebenprodukte bei thermischen Prozessen in der Gegenwart von Chlor entstehen. Insbesondere 17 der insgesamt 210 Einzelverbindungen (man spricht hier von Kongeneren) aus der Gruppe der Dioxine gelten als toxisch. Dabei weist das 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (2,3,7,8-TCDD), welches auch als „Seveso-Dioxin“ bekannt geworden ist, die höchste Toxizität auf.
Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind ebenfalls chlorierte Kohlenwasserstoffe, deren chemische Struktur mit der der Dioxine verwandt ist. Diese Stoffgruppe umfasst 209 verschiedene Kongenere, von denen 12 toxische Eigenschaften aufweisen, die mit denen der Dioxine vergleichbar sind. Sie werden daher dioxinähnliche PCB oder kurz DL-PCB genannt. PCB wurden bis in die 1980er Jahre als technische Gemische produziert und in verschiedenen Anwendungsgebieten eingesetzt (z. B. in Transformator- oder Hydrauliköl, in Dichtungsmassen und Lacken).
Höchstgehalte für Dioxine und PCB in Lebens- und Futtermitteln in der EU
Zum Schutz des Menschen wurden bereits 2001 in der EU neben Strategien zur Reduzierung der Kontamination mit PCDD/F und PCB der Umwelt auch Höchstgehalte und Auslösewerte für Lebens- und Futtermittel festgelegt. Eine Übersicht dieser aktuellen Grenzwerte findet sich in unseren technischen Datenblättern:
- Dioxine und PCB in Lebensmitteln: Höchstgehalte und Auslösewerte
- Dioxine und PCB in Futtermitteln: Höchstgehalte und Aktionsgrenzwerte
Der Nachfrageanstieg in der Dioxin- und PCB-Analytik und seine Hintergründe
Insbesondere nach dem PCB-Vorfall im Jahr 2011 konnte bei der Eurofins GfA Lab Service GmbH, dem Kompetenzzentrum für Dioxine & Persistente organische Verbindungen (POP) im Eurofins Labornetzwerk, eine verstärkte Nachfrage an Dioxin- und PCB-Analysen in Lebens- und Futtermitteln festgestellt werden. Obwohl bereits 2006 auch die Gruppe der DL-PCB in die gesetzlichen Höchstgehalte einbezogen wurden, stieg erst seit 2011 die Nachfrage nach PCB-Analysen deutlich an, wie die folgende Graphik verdeutlicht.
Verhältnis der Anzahl PCB- zu PCDD/F-Tests in Lebens- und Futtermitteln bei Eurofins GfA Lab Service GmbH
Seit 2011 ist das Thema Dioxine und PCB in Lebens- oder Futtermitteln nicht mehr in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Bedeutet das Fehlen einer weiteren medialen Berichterstattung, dass Dioxine und PCB kein Thema mehr sind? Mit der Einführung der Meldepflicht für Dienstleistungslaboratorien und die Mitteilungspflicht für Lebens- und Futtermittelunternehmer bezüglich Dioxinen und PCB reagierte die Politik in Deutschland im Jahr 2011 auf die Ursachen des PCB-Geschehens. Diese Maßnahmen können hier einen Beitrag geleistet haben, indem sie mindestens zu einer bewussteren Wahrnehmung entlang der Wertschöpfungskette für Lebens- und Futtermittel geführt haben. Unmittelbar steigende Probenzahlen deuten auch auf ein intensiveres Monitoring dieser Umweltschadstoffe als Konsequenz aus diesem Vorfall hin. Ein solches Monitoring ermöglicht es, dass steigende Dioxin- und / oder PCB-Konzentrationen frühzeitiger erkannt und verursachende Quellen identifiziert und aufgelöst werden können.
Ausblick: Monitoring der Dioxin- und PCB-Belastung bleibt essentiell
Die Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Stellungnahme der European Food Safety Authority (EFSA) im Jahr 2018 zeigte, dass eine Exposition des Menschen gegenüber Dioxinen und PCB weiterhin ein Gesundheitsrisiko darstellt (siehe hierzu unsere Webnews Umweltkontaminanten im Fokus der European Food Safety Authority). Die damals neu veröffentlichten gesundheitsbezogenen Richtwerte könnten langfristig zu einer Senkung der aktuell gültigen Höchstgehalte führen. Hintergründe früherer "Skandale" haben auch gezeigt, dass Warengruppen, die bisher nicht im Fokus eines Monitorings standen, plötzlich Gegenstand medialer Berichterstattung werden können. Aus diesen Gründen empfehlen wir Ihnen, die Intensität des Monitorings von Dioxinen und PCB in Lebens- und Futtermitteln mindestens beizubehalten, um so die Möglichkeit eines weiteren lokalen oder sogar globalen Geschehens mit erhöhten Dioxin- und / oder PCB-Konzentrationen zu vermeiden.
Haben Sie Fragen?
Sie haben Fragen zu Dioxinen und PCB in Lebens- und Futtermitteln oder zu unseren wenden Sie sich direkt an unsere Experten.
Literaturangaben
[1] R. Malisch: Incidents with Dioxins and PCBs in Food and Feed - Investigative Work, Risk Management and Economic Consequences. Journal of Environmental Protection 8 (2017) 744-785